Gigon_O._-_Kommentar_zum_zweiten_Buch_von_Xenophons_Memorabilien_1956_cc.pdf

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SCHWEIZERISCHE BEITRÄGE
ZUR
ALTERTUMSWISSENSCHAFT
IN VERBINDUNG
OLOF GIGON
HERAUSGEGEBEN
MIT DENIS
VAN BERCHEM
FRITZ WEHRLI
WYSS
KOMMENTAR
ZUM ZWEITEN BUCH VON
XENOPHONS MEMORABILIEN
VON
WILLY TBEILER
VON BERNHARD
OLOF GIGON
HEFT 7
VERLAG FRIEDRICH
REINHARDT
AG BASEL 1956
VERLAG FRIEDRICH
REINHARDT
AG
BASEL 1956
Inhaltsverzeichnis
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
1
2
3
1
84
102
118
4
5
6
7
8
9
121
126
172
181
184
188
Kapitel 10
Signet dea Titelblattes:
Schwan, rll»:ÜSehesBronzebeschläg aus Augu
Alle
Rechte vorbehalten
Copyright by Friedrich Reinhardt AG., Basel
Druck von Friedrich Reinhardt AG., Basel
Literatur
Zu der beim Kommentar zum 1. Buch angeführten
gekommen und nachzutragen:
Literatur
ist hinzu-
A. Dihle,
Studien zur griechischen Biographie (Abhd. dei- Akademie der
Wissenschaften in Göttingen Phil.-Hist. Klasse III/37), Göttingen 1956.
H.
Erbse,
Soki-ates im Schatten der aristophanischen Wolken, Hermes 1954.
Th. Gelzer,
Aristophanes und sein Sokrates, Museum Helveticum 1966.
J.
Luccioni,
Xenophon et le Socratisme, Paris 1953.
R. Sfärk,
Sokratisches in den Vögeln des Aristophanee, Rh. Mus. 1953.
Publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds
zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung
KAPITEL
1
Die Analyse des ersten Buches der Memorabilien hat zu drei
wesentlichen Ergebnissen geführt.
Erstens: Die Memorabilien sind nicht, wie es vor allem R. Maier
(Sokrates 25
f.)
und Wilamowitz (Platon I, 265} gemeint haben, eine
<<ordnungslose Materialsammlung>> und eine <<ungefüge Masse». Sie
sind vielmehr so klar und folgerichtig disponiert, wie man es von
einem philosophischen Text des 4. Jh. v. Chr. nur verlangen kann.
Der Gedanke, der alles beherrscht, ist der, daß Sokrates unanfecht-
und
ge-
bar
EUO"Eßnr; crwcppwvund
in allen Lebenslagen
wcpEJ..1µwTaT04-
1
wesen sei
;
seine Verurteilung durch das Volk von Athen könne also
nur als reiner Widersinn gelten. Dieses apologetische Moment durch-
zieht das ganze erste Buch, tritt in II und III zurück, kehrt aber in
IV spürbar wieder. Angemessenerweise werden am Anfang des ge-
samten Werkes die zwei Dokumente vorgeführt und besprochen, die
eine Rechtfertigung des Sokrates überhaupt erst notwendig gemacht
haben, die offizielle Anklageschrift, dann die dem Xenophon litera-
risch verfügbare Anklagerede. Die Diskussion des ersten Punktes
der Anklageschrift (I,
1, 1-20)
findet ihre Fortsetzung in 3,
1-4
und
in 4, diejenige des zweiten Punktes (I, 2,
l-8)
geht weiter in 3,
5-15
sowie
in
Kap. 5 und 6. Kap. 7 soll als Abschluß wirken, ergänzt aber
auch die Widerlegung des ersten Vorwurfs der Anklagerede (I, 2,
9-11)
und weist deutlich voraus auf die zwei ersten Kapitel des
vierten Buches (Diese Rekapitulation des Aufbaus von I mag auch
zeigen, daß es keinen ernstlich zwingenden Grund gibt, I, 1/2 als
eine besondere <<Schutzschrift» auszuscheiden und diesen Text wo-
möglichJahrzehnte vor dem Rest geschrieben sein zu lassen).
Dieselbe Kunst der Disposition wird auch in den folgenden Bü-
chern sichtbar sein. Die Memorabilien sind, wie sie uns vorliegen,
Unverkennbar nimmt in der xenophontisohen Sokratik das
lllqiehuov
einen ähnlichen Platz ein wie bei Platon die
emaniµIJ -roü
uyo8ou. Ueber das
gegenseitige Verhältnis dieser beiden nah verwandten und doch völlig ver-
schieden orientierten Begriffe wäre viel
zu
sagen; das sei auf die Interpreta-
tion von IV, 8, 11 verschoben.
1
2
3
als ein Ganzes bewußt konstruiert. Andeutend darf dazu bemerkt
werden, daß dieselbe Energie des Disponierens umfangreicher Stoff-
massen auch an demjenigen Werk stark hervortritt, das Xenophon
selbst ohne Zweifel als sein literarisches Meisterwerk betrachtet hat,
an der Kyrupädie.
zweitens: Während aber gerade die Kyrupädie zum größten
Teile eine originale Leistung Xenophons ist, konzentriert auf das-
jenige Problem, das ihn in seinem persönlichen Leben am meisten
beschäftigt hat, nämlich auf das, was ich die Technik des Umgangs
mit Menschen und der Führung von Menschen nennen möchte, ist
es bei den Memorabilien durchaus anders. Rund dreißig Jahre nach
dem Tode des Sokrates verfaßt, sind sie nicht viel mehr als Bear-
beitungen älterer sokratischer Texte, die Xenophon zur Verfügung
standen. Hier kann die Einzelinterpretation
nur bestätigen, was
H. Maier und Wilamowitz schon längst summarisch festgestellt ha-
ben. Auf Schritt und Tritt erkennt man, wie Xenophon ältere Kom-
plexe zerschnitten und neu zusammengesetzt, verkürzt und um-
akzentuiert hat.
Drittens: Wir müssen uns indessen eingestehen, daß
wir
nicht
in der Lage sind, diese Vorlagen Xenophons sicher zu identifizieren.
Es läßt sich in keinem Falle stringent beweisen, daß Xenophon die-
sen oder jenen Dialog des Eukleides, Antisthenes, Phaidon, Aristip-
pos, Aischines oder Platon benutzt hat. Daß er platonisch~ Dialoge,
etwa den Euthydemos oder den Phaidon oder gar den Philebos, ge-
lesen und exz~rpiert hätte, halte ich aus innern wie aus äußeren
Gründen für sehr unwahrscheinlich. Anregungen durch Aischines
lassen Rich an einigen Stellen leidlich glaubhaft machen, zuweilen
auch Berührungen mit Apophthegmata des Aristippos und des An-
tisthenes (und Diogenes). Aber gemessen am gesamten Bestand des
xenophontischen Corpus Socraticum ist es nicht viel, und zu weiter-
gehenden Folgerungen sind wir nirgends berechtigt; gan~ abgesehen
davon. daß wir heute noch über den Ursprung der reichen unter
dem Namen der Sokratiker überlieferten Apophthegmatasammlun-
gen so gut wie nichts auszusagen vermögen. Das einzige, was
wir
annehmen dürfen, ist, daß sie noch dem
4.
Jh. angehören. Aber ob
nun etwa eine Aristipp-Anekdote aus einer Schrift Aristipps oder
aus einer Schrift über Aristipp stammt und ob sie von vornherein
als Anekdote existiert hat oder ob sie aus einer größeren Erzählung
ausgelöst bzw. zusammengezogen worden ist, das alles wissen wir
nicht. Darum helfen uns auch Anklänge an solche Anekdoten
in
den
Memorabilien nicht sehr viel.
Doch darf die Anonymität der Texte, die die Interpretation hin-
ter Xenophons Bearbeitungen entdeckt, auf keinen Fall dazu ver-
führen, ihre sachliche Bedeutung zu unterschätzen. Xenophon ist
und bleibt der wertvollste Zeuge für die vielfältige sokratische Litera-
tur, die in der ersten Hälfte des 4. Jh. vor und neben Platon ent-
standen ist.
Diese drei Ergebnisse werden sich auch weiterhin bewähren. Hier
haben
wir
zunächst nur einen Blick auf die Gesamtdisposition der
Bücher II-IV zu werfen.
Im allgemeinen gilt, daß Buch I und IV zusammengehören. In
ihnen spricht sich Ziel und Gehalt des xenophontischen Sokrates-
bildes am entschiedensten aus. Von I war soeben schon die Rede.
Die Absicht von IV ist, schematisch skizziert, eine doppelte. Einmal
will
Xenophon schildern, auf welche Weise Sokrates einen der
vfot
durch die Destruktion seines Scheinwissens für die Philosophie emp-
fänglich macht (Kap.
1
1
2) und ihn dann über die wahre Eusebeia
(Kap. 3), Sophrosyne (Kap.
5)
und Dialektik (Kap. 6) belehrt; dabei
führt Kap. 3 die Linie von I, 1, 1-20; 3, 1-4; 4, und Kap. 5 die-
jenige von I, 2, 1-8; 3, 5-15; 5; 6 weiter, und die Verbindung von
Sophrosyne und Dialektik muß von I,
2,
14-18 her verstanden wer-
den. Weiterhin will Xenophon zum Prozeß von 399 zurücklenken,
von dem er ausgegangen war. Dem dient vorbereitend Kap.
4,
das
in gewisser Weise I, 1, 18 ergänzt, endlich Kap. 7 8, wo
7
als eine
Erweiterung von I, 1, 11-16 aufgefaßt werden darf. Inwiefern wei-
tere Momente die Anordnung der Kapitel in IV beeinflussen, ist
hier noch nicht zu erörtern; offenkundig ist, daß sich der faktische
Inhalt der einzelnen Kapitel mehrmals nur mangelhaft dem von
Xenophon entworfenen Dispositionsschema fügt.
Buch II und III bilden wiederum ein Ganzes, sozusagen das
Porträt des Sokrates unter dem Gesichtspunkt seiner
wcpEAEm
den
in
verschiedensten Bereichen des täglichen Lebens. Unmittelbare Hin-
weise auf den Prozeß fehlen.
In
II, 1-6 äußert sich Sokrates der
Reihe nach über das
noAtTE.uw{}m
allgemeinen, über das Verhält-
im
nis der Kinder zu den Eltern, der Geschwister untereinander, end-
lich über die Freundschaft. II, 7-10 zeigt ihn als Berater in privaten
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